Nachdem das Verwaltungsgericht die Demonstration der JN mit relativ starken Einschränkungen erwartungsgemäß genehmigt hat, verzichtet OB Palmer darauf, alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen und überlässt den Nazis eine mehrere 100 Meter lange Strecke in der Europastraße. Damit kommen die Nazis bis auf einen Steinwurf weit an das als Ziel ausgegebene Jugendzentrum Epplehaus.
Bei der Pressekonferenz im Rathaus äußerte sich Palmer eindeutig: Seine größte Sorge seien weder die Nazis noch die bereitgehaltenen Wasserwerfer und Reiterstaffeln der Polizei, seine größte Sorge seien eventuell gewaltbereite Linke. Er forderte aller friedlichen DemonstrantInnen auf, sich unbedingt und vollständig von diesen zu distanzieren. Polizeivertreter betonten kurz darauf, dass von Ihnen nicht erwartet werden könne zwischen friedlichen und gewaltbereiten GegendemonstrantInnen zu unterscheiden. Ihre Deeskalationsstrategie bestehe deshalb aus einer niedrigen Eingreifschwelle, null Toleranz bei aggressivem Verhalten, "Beseitigungsgewahrsam" für potentielle GefährderInnen und Schnellverfahren mit beim Bahnhof wartenden RichterInnen.
Diese Deeskalationsstrategie sei nötig, weil man eine stark emotionalisierte Stimmung in der Tübinger Linken wahrgenommen habe und die Anreise gewaltbereiter Autonomer nicht ausschließen könne. Es sei einfach einfacher, eine Blockade mit Polizeipferden aufzulösen statt die DemonstrantInnen mühsam wegzutragen. Der Einsatz von Wasserwerfern sei zwar nicht geplant, sie würden aber außerhalb Tübingens Bereitgehalten.
Den Nazis gegenüber tritt man ebenfalls entschlossen auf: Verboten sind unter anderem verfassungsfeindliche und verbotene Kennzeichen auf T-Shirts, Aufnähern und Buttons, im Zweifel würden die Jungnazis entblößt - außer wiederum diese tragen verfassungsfeindliches auf der Haut... Auch Waffen, und Springerstiefel sind verboten, Parolen und Redebeiträge werden eingeschränkt. Ein Eingreifen sei aber nur nach "Abwägung der Verhältnismäßigkeit" und bei schweren Verstößen geplant. Allgemein werde aber von den Neonazis ein sehr kooperatives Verhalten erwartet.
Verkehrstechnisch war es vor allem dem Ökologen Palmer ein Herzensanliegen, dass der Busverkehr so weit als möglich frei von Störungen bleibt. Da auf dem Europaplatz/Busbahnhof die Kundgebung der Gewerkschaften gegen die NPD angemeldet ist, wird daher auf der Südseite des Bahnhofs der Ersatzbusbahnhof eingerichtet. Die Schleife vor der Tiepvalkaserne dient dabei Bussen Richtung Innenstadt und Richtung Osten als Abfahrtsort, der Park and Ride Parkplatz zwischen B28 und Bahngleisen ist Haltestelle für Busse Richtung Westen und Rottenburg sowie Derendingen. Der Bahnhof und der besonders geschützte Bereich der Neonazidemonstration ist dabei für TübingerInnen, die sich nicht glaubhaft als Bahnreisende ausweisen können, gesperrt.
Vertreter des Epplehauses äußerten Unverständnis für den Plan von Gericht und Stadt, eine Demonstration, die explizit gegen das Jugendzentrum hetzt, bis in Wurfweite desselben heranzulassen. Kritische Pressevertreter wunderten sich außerdem über die sorglose Haltung der Verantwortlichen in Bezug auf mögliche Ausweichspläne der Neonazis. Weder gibt es Pläne um Spontandemos an anderen Tübinger Bahnhöfen zu verhindern, noch gibt es eine aktive Kommunikation mit allen relevanten umliegenden Städten, die als Ausweichsort für die Neonazis in Frage kommen. Die Mobilisierung von 5000 erwarteten TübingerInnen scheint als Erfolg des grünen Tübingens auszureichen.
Es gibt aber Stimmen denen dies nicht reicht. Alle die an einer Verhinderung des Naziaufmarschs interessiert sind sind deshalb eingeladen, heute um 20 Uhr zur öffentlichen infoveranstaltung im Epplehaus zu kommen, bei denen die geplanten Gegenveranstaltungen vorgestellt und diskutiert werden.
Weitere Neuigkeiten: Das Line Up des Epple Defence Open Airs nimmt Formen an: Unter anderem werden die Drum'n'Bass Lokalhelden Santorin live performen, die Punkrocker Kaput Krauts aus Berlin werden erwartet, Tübingens Alternative Rock Band Lamaze spielen eine Reunion Show, die Randgruppencombo des LTT kommt mit Auszügen aus ihrem Gundermannprogramm vorbei, die Cube Acustics (Hihop/Reggae), 12 Angry Men (PowerRock), Insight (Cello Metal) und The Renderings (Punk/Garage) komplettieren das Line Up. Ablauf und Spielzeiten werden Freitag früh bekannt gegeben.
Letztes Update ( Thursday, 19 July 2007 )
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1 Kommentar:
Tagblatt: Neonazi-Demo erlaubt - Starkes Polizeiaufgebot
Neonazis dürfen nach Tübingen
SIGMARINGEN
(tol). Das Sigmaringer Verwaltungsgericht hat den Aufmarsch der
"Jungen Nationaldemokraten" erlaubt. Aber nicht, wie die Jugendorganisation der NPD es wünschte, durch die gesamte Tübinger City bis hinein in die Altstadt. Die Neonazis dürfen jetzt nur auf einem Teil des Europaplatzes und auf der Europastraße demonstrieren, teilte Tübingens OB Boris Palmer am Donnerstagnachmittag in einer Pressekonferenz im Tübinger Rathaus mit.
In die nächste Instanz zu gehen, schloss Palmer aus: "Wir akzeptieren das und stellen uns auf die Situation ein", sagte er. Die Jugendorganisation der NPD soll mit starken Polizeikräften vor möglichen Übergriffen von Autonomen geschützt werden. Andersherum sollen mögliche Provokationen der Rechten unterbunden werden, die demonstrieren wollen, dass es linke Gewalt in Tübingen gibt. Beide Gruppen sollen soweit auseinandergehalten werden, dass keine Wurfgeschosse in den jeweils anderen Bereich gelangen können. Der OB rechnet mit etwa 200 Neonazis.
Mit wieviel Kräften die Polizei anrückt, wollte Thomas Züfle, Leiter der Tübinger Polizeidirektion, nicht sagen. Es werden jedoch wesentlich mehr sein als zum Maisingen, wo stets rund 300 Bereitschaftspolizisten anwesend sind. Vorab wird die Bundespolizei die Neonazis in den Zügen sichten und sie überwachen. Züfle rechnet nicht mir größeren Schwierigkeiten bei der Anfahrt.
Sobald die "Jungen Nationaldemokraten" am Tübinger Hauptbahnhof ankommen, sollen sie gleich auf den Europaplatz geleitet werden. Ihre Ankunft ist in der Zeit von 11 bis 12 Uhr am Samstag vorgesehen. Ende der Neonazi-Demo soll 16 Uhr sein.
Vom Europaplatz aus dürfen sie sich nicht wegbewegen.
Dass die Polizei an diesem Samstag nicht mit sich spaßen lässt, machte Züfle noch einmal deutlich: "Wir dulden keine Ausschreitungen und Gewaltakte und lassen nicht zu, dass der Samstag zu einer Randaleveranstaltung wird." Dennoch: Der Einsatz von Wasserwerfern ist nicht vorgesehen. Wohl aber wurde berittene Polizei geordert.
Den Neonazis hat das Tübinger Ordnungsamt umfangreiche Auflagen gemacht. So dürfen sie keine Springerstiefel anziehen, keine Fackeln, Trommeln oder verbotene Fahnen dabei haben, und natürlich keine Embleme oder Tätowierungen haben, die in Verbindung mit dem Nationalsozialisumus stehen.
Sämtliche 20 Gegendemonstrationen hat das Tübinger Ordnungsamt übrigens genehmigt. Die meisten sind um 13/14 Uhr beendet. Die Busse fahren am Samstag während der Neonazi-Demo nicht vom Europaplatz ab, sondern von der Hegelstraße.
In Kürze: Wie das Bürgerfest am Samstag geplant ist
Quelle: http://www.tagblatt.de/?artikel_id=35642615
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