Donnerstag, 12. Juli 2007

Tagblatt vom 12.7.07

Protest über die Altstadt hinaus

Gewerkschaften und Kulturinitiativen wollen den Rechtsextremen am Bahnhof entgegentreten

TÜBINGEN (uha). Die Demonstration der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) am 21. Juli in Tübingen wurde von der Stadt zwar verboten. Sollte der NPD-Nachwuchs am Samstag in einer Woche dennoch anrücken, soll der braune Aufmarsch bereits am Bahnhof gestoppt werden. OB Boris Palmer erklärte gestern dem TAGBLATT gegenüber, dass die beantragten Gegenkundgebungen und Protestaktionen rings um das Bahnhofsgebäude genehmigt werden.

Unter diesem Motto ruft ein Gewerkschaftsbündnis für den 21. Juli zur Kundgebung vor dem Tübinger Bahnhof auf.

Bisher war im Zusammenhang mit der JN-Demo stets von einem bunten und friedlichen Gegenfest in der Tübinger Altstadt die Rede. Doch inzwischen sieht es ganz nach einem bunten Bahnhof für die Braunen aus – sollte das Sigmaringer Verwaltungsgericht das von der Stadt verhängte Versammlungsverbot für die rechtsextreme Jugendorganisation der NPD kassieren.

Bereits seit Dienstag verteilen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG-Metall und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Flugblätter für eine Gegenkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz und dem Europaplatz. „Keinen Fußbreit den Nazis in Tübingen“ lautet das Motto. Bis gestern aber sah es ganz danach aus, als ob zumindest der Bahnhofsvorplatz für die Gegner der Neonazis tabu bleiben solle. Nachdem klar sei, dass die „rechte Seite“ sich am Bahnhof zu ihrem Demozug aufstelle, könne man den Platz „als Versammlungsort nicht zuweisen“, erklärte Rainer Kaltenmark vom Ordnungsamt noch gestern Vormittag. „Den Bahnhofsvorplatz werden wir leider den Rechten lassen müssen“, so Kaltenmark. Denn aus juristischen Gründen dürfe die Stadt nicht durch das Zulassen von Gegenveranstaltungen „das Recht der Erstveranstalter boykottieren“.

Wenig später hatte man sich auf dem Tübinger Rathaus besonnen: Nachdem die Versammlung, zu der die JN rund 200 Teilnehmer angemeldet hat, nun verboten sei, „gibt es eigentlich keinen Grund, den Bahnhofsvorplatz nicht zu vergeben“, teilte Kaltenmark in einem weiteren Telefongespräch mit.

Kurz darauf erklärte auch Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer: „Wir haben keinen Grund für eine Einschränkung der Aktionen von DGB, Verdi und IG-Metall“. Nach dem Verbot des JN-Aufmarsches gehe man davon aus, „dass es keine Sicherheitsprobleme gibt“, schließlich habe man bisher noch nichts von einer Klage gegen das Versammlungsverbot beim Sigmaringer Verwaltungsgericht gehört. „Nach dem derzeitigen Stand der Sicherheitslage“ werde die Stadt die bisher gestellten Anträge für Gegenkundgebungen und andere Aktionen rings um den Bahnhof positiv bescheiden.

Auf Seiten der Nazi-Gegner löste diese Nachricht Erleichterung aus: „Das ist ein gutes Signal, dass man die Nazis wirklich verhindern will“, sagte Ernst Blinsinger von der IG-Metall. Und Jens Rüggeberg vom Kreisvorstand der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) findet es „wichtig, dass man in der Altstadt was macht, aber es kommt darauf an, dass die Nazis gar nicht erst aus dem Bahnhof heraus kommen“. Die VVN selbst wird am 21. Juli auf dem Holzmarkt eine Kundgebung abhalten und sich dort „für ein Verbot der NPD“ stark machen, so Rüggeberg.

Insgesamt liegen dem Ordnungsamt inzwischen zwölf Anmeldungen für Protestveranstaltungen gegen den Nazi-Aufmarsch vor, darunter auch zwei Demozüge: Der Club Zatopek will vom Haagtorparkplatz in Richtung Bahnhof laufen. Der Personalrat des Uni-Klinikums hat eine Demo von der alten Hals-Nasen-Ohrenklinik zum Bahnhof angemeldet. Im Jugendzentrum Epplehaus – von den JN-Anhängern in ihrem Demonstrationsaufruf als Ort bezeichnet, „in dem die gewaltbereite Tübinger antideutsche Antifa ihr Unwesen treibt“ – plant man ein Open-Air-Konzert auf der Karlstraße. Das LTT will mit dem Parkplatz vorm Zollamt den südlichen Bahnhofsausgang bespielen, die Bewohner der Ludwigstraße 15 haben eine Aktion für den Sternplatz angekündigt.

Und auch die Tübinger Handel- und Gewerbetreibenden machen gegen die Jung-Nazis mobil: Mit mehreren tausend Luftballons am Himmel über der Stadt will sich der HGV „in die Reihe der vielen TübingerInnen eingliedern, die sich an diesem Tag für Toleranz und gegen Rassismus positionieren“.

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